Sägewerk gefolgt von Molkerei und Margarinefabrik

Die in Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Industrielle Revolution bescherte Apelern zunächst das Sägewerk im Flurstück „Auf der Blicke“ zwischen Riesbach und der Landstraße Apelern – Rinteln gelegen.

Ausschlaggebende Faktoren für die Errichtung dieses ersten größeren Betriebes, in der ansonsten wegen seiner Abgeschiedenheit eher landwirtschaftlich geprägten Gegend, waren der Holzreichtum des Umlandes sowie die durch den Riesbach nutzbare Wasserkraft zum Betrieb des Sägegatters.

Erst 50 Jahre später, um 1895, gründete in unmittelbarer Nachbarschaft die Familie Berg eine Molkerei. Sägerei und Molkerei wurden etwa 10 Jahre später (1904/1905) im Zuge einer Zwangsversteigerung um die Margarinefabrik erweitert.

Lokomobile sorgt für nötige Energie

Wie aus Aktenfunden beim Niedersächsischen Landesarchiv in Bückeburg hervorgeht, muss bereits 1898 eine feststehende Lokomobile aufgestellt worden sein, um den erhöhten Energiebedarf zu decken, der bei Wassermangel insbesondere beim Betrieb des Sägegatters auftrat.
Diese Lokomobile war eine Dampfmaschine kleinerer Bauart für mittelgroße Betriebe. Die gesamte Anlage für Molkerei und Sägewerk bestand aus einem mit Holz oder Kohle befeuerten Wasserkessel, der Lokomobile und Transmission und einem Generator. Der im Kessel erzeugte Dampfdruck wurde dem Zylinder der Lokomobile zugeführt. Dessen Ausdehnungskraft bewegte einen darin befindlichen Kolben. Über eine beweglich gelagerte Pleuelstange und einen an der Welle befestigten Kurbelarm wurde so eine Drehbewegung erzeugt. Dies trieb das Sägegatter oder den Gleichstrom erzeugenden Generator von 110 Volt an.

Betriebe in den 1920ern stillgelegt

Im Jahre 1922 wurden Molkerei und Margarinefabrik stillgelegt. Drei Jahre später stellte auch das Sägewerk den Betrieb ein. Das ehemalige Industriegelände wurde in den darauf folgenden Jahren geteilt. Das nördlich des Riesbaches gelegene Areal erwarb zunächst eine Familie Vespermann, die es später wieder verkaufte.

Das Molkereigelände erwarb 1934 der ehemalige Pächter des v. Münchhausenschen Gutes, Gustav Franke. Dieser überließ das auf dem Gelände befindliche „Viehhaus“ seinem langjährigen Helfer, Fritz Tegtmeier, der es zu Wohnungen ausbaute. Von den zahlreichen Fabrikgebäuden, den Wohnhäusern, dem Kesselhaus, den Schornsteinen, der Schneidemühle, dem Molkerei- und dem Margarinegebäude sowie dem Viehhaus ist heute nur noch letzteres erhalten, alle übrigen Gebäude fielen dem Abriss zu.

Wohnhaus und „Viehhaus“ blieben erhalten

Das so genannte „Viehhaus“ wurde recht bald umgebaut, mehrere schöne Wohnungen sind entstanden; eine davon bewohnte lange Jahr der Sohn des oben erwähnten Helfers von Gustav Franke, Fritz Tegtmeier, jun.

Den Abriss der letzten Bauwerke auf dem Fabrikgelände haben einige heute noch lebende Zeitzeugen selbst erlebt. So berichtet Wilhelm Katz, Apelern Nr. 11, dass er als Schüler im Jahre 1934 der Sprengung des letzten Fabrikschornsteins beiwohnen durfte. „Früh am Morgen, es muss im späten Frühling oder Anfang Sommer gewesen sein“ – so berichtet er – „wurden wir im Klassenverband (Klassen 1 – 4 wurden zusammengefasst) von unserem Lehrer Klein auf die Anhöhe an der Landstraße Apelern – Rinteln geführt. Wehrmachtspioniere aus Hameln, hat man uns gesagt, führten dann die Sprengung durch“.

Allerdings gibt es auch andere Berichte nach denen der Schornstein nicht gesprengt wurde, sondern unter Anwendung von Keilen regelrecht „gefällt“ worden ist. Diese Ansicht wird untermauert, wenn man sich das Foto von der „Sprengung“ genauer ansieht. Auf der Landstraße befinden sich in ziemlicher Nähe zum Schornstein Fahrzeuge und mehrere Personen. Legt man die heutigen Sicherheitsstandards zu Grunde, würde diese Nähe bei einer Sprengung nicht erlaubt sein.

Hier zeigt sich einmal mehr, wie schnell Ereignisse, auch aus der jüngsten Vergangenheit, in Vergessenheit geraten können. Daher hat es sich der Heimatverein u. a. auch zur Aufgabe gemacht, Vergangenes zu dokumentieren – mit Fotos, Zeitzeugenbefragungen, Zeitungsrecherche usw. -. Vielleicht findet sich unter den Lesern tatsächlich jemand, der letztlich zur Klärung der „Schornsteinfällung“ beitragen kann. Der Heimatverein freut sich über jeden weiterführenden Hinweis.

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